Wenn wir über Beschaffungen von IAM (Identity & Access Management) Lösungen reden, so werden seitens der Beschaffer nicht selten das von der Firma Gartner erfundene und international bekannte «Magic Quadrant» für das gewünschte Produkt aufgesucht. Doch sind die gepriesenen Produkte der Benchmarking-Unternehmen wie Gartner wirklich die Richtigen für mein Unternehmen?

Wie die Waren im Supermarkt oder in anderen Geschäften angeordnet werden, ist kein Zufall. Die korrekte Warenplatzierung richtet sich nach psychologischen Auswertungen und treibt bei gekonnter Umsetzung die Verkaufsförderung an. Zudem findet nicht jedes Produkt gleichermassen in jedem Supermarkt seinen Platz: Die noch freien Kontingente werden von den Herstellern hart umkämpft. Wer gut zahlt, der kann anschliessend liefern und auch gut verkaufen. Haben sie sich nicht auch schon einmal gewundert, dass das Produkt, wonach sie bei ihrem gewohnten Einkauf im gewohnten Supermarkt gegriffen haben, irgendwann plötzlich einer anderen Marke gewichen ist?

Diese scheinbar unvorhersehbare Eigendynamik, die Art des Wandels, erstreckt sich in der Privatwirtschaft nicht nur über die Lebensmittelindustrie. Auch in anderen Branchen wo gehandelt und eingekauft wird, sind solche oder ähnliche Formen der Positionierungen von Produkten, vor allem die kaum bemerkbare Meinungsmache über Produkte erkennbar.

In der professionellen IT gehen zwar Projektleiter oder CIOs nicht in den Supermarkt um ihren Warenkorb mit IT Lösungen und Hard- sowie Softwareprodukten zu füllen, jedoch existieren durchaus virtuelle Vermittlungsplätze und Institutionen, die einem Einkäufer eine Gruppierung von gleichartigen Produkten ins Rampenlicht stellen. Diese Produkte werden dann als die markantesten, am bekanntesten und zugleich die am populärsten Produkte dargestellt. Dabei können die Verhältnisse tatsächlich mit den Handelsverhältnissen im Supermarkt verglichen werden. Der Supermarkt ist abgebildet demnach die Institution, welche die Produktplatzierung inkl. Angaben über die Leistungen des Produkts und dessen Herstellers propagiert. Die Warenvielfalt bestimmen die Hersteller, die bereit sind die Plätze in den belegbaren Regalen zu bezahlen, um sich im Gegenzug einer Grundprüfung unterziehen zu lassen. Das Ergebnis dieser Prüfung würde sozusagen den Platz des Produkts im Regal je Warengruppierung bestimmen.

Die Firma Gartner

Wenn wir in diesem Kontext über IAM reden, so werden seitens der Beschaffer nicht selten das von der Firma Gartner erfundene und international bekannte «Magic Quadrant» für das gewünschte Produkt aufgesucht. Nicht umsonst hat das Unternehmen einen eigenen Magic Quadranten  für IAM Produkte geschaffen und ein Bewertungssystem hierfür entworfen. Letzteres ist uns inhaltlich sowie methodologisch leider unbekannt und wird wahrscheinlich auch nicht veröffentlicht werden.

Mit Hauptsitz in Stamford, USA, ist Gartner ein Anbieter, der Marktforschungsergebnisse und Analysen über die Entwicklungen in der IT anbietet und weltweit über 15 Tausend Mitarbeiter beschäftigt. Da klärt sich die Frage fast von selbst, warum Gartner Statistiken eine so prominente Rolle im IT Markt spielen. Dabei ist Gartner nicht das einzig prominente Beispiel. Die Firma Forrester Research mit ihren «Wave» Diagrammen (Analog zu Magic Quadranten von Gartner) stellt mit ihren Marktanalysen wiederum für Gartner einen ernsten Konkurrenten dar.

Der «Magic Quadrant»

Anstatt Statistiken zu zeigen und eine Rangliste von Unternehmen aufzustellen, erfand die Firma Gartner ihren Magic Quadranten: Eine zweidimensionale Matrix, um Stärken und Unterschiede zwischen Firmen zu illustrieren. Die Darstellung teilt konkurrierende Unternehmen in vier unterschiedliche Abschnitte (sogenannte Quadranten) ein, die auf den zugehörigen Daten der Firmen basieren.

Gartner gibt zwar auf ihrer Webpräsenz zum Magic Quadranten selbst an, dass die Konzentration auf den Quadranten nicht immer die beste Vorgehensweise ist und es gute Gründe gibt, die Herausforderer des Marktes in Betracht zu ziehen, doch viele Firmen, die auf der Suche nach neuen oder besseren IT Lösungen sind, gehen nicht weiter auf die Vor- und Nachteile einer Gartner Analyse ein. Die Wahrnehmung ist sehr oft, dass Anbieter im jeweiligen Gartner Magic Quadranten immer die besten Anbieter und Lösungen sind. Dabei beschreibt Gartner selbst, dass Nischenanbieter die Bedürfnisse der Kunden ggf. besser unterstützen könnten als ein Marktführer. Es hängt davon ab, so Gartner, wie der Anbieter auf die Geschäftsziele des Kunden ausgerichtet sind.

Ein Beigeschmack der Subjektivität in den Beurteilungen bleibt dennoch. Denn bei den Analysen steht die Vollständigkeit einer Unternehmensvision und der Wille, diese Vision umzusetzen, im Zentrum des Interesses. Die Bekanntgabe des Vollständigkeitsgrades ist jedoch nur den privilegierten Unternehmen vorenthalten, jene, die Fähig sind entsprechende Rechnungen für Gartner-Marktanalysen zu zahlen.

Natürlich werden Unternehmen und ihre Produkte durch Gartner sehr wahrscheinlich nach vielerlei Kriterien und standardisierten Prüfmethoden gemessen, die Mitgliedschaft zudem kein Schnäppchen, doch sollte an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass sich sehr viele Firmen, die allenfalls davon nur Träumen können auch nur in die Nähe dieser magischen Quadrate  zu gelangen, sich dennoch mit diversen internationalen Normen, Standards, Protokollen, Methodiken und «Best Practices», ja und vor allem mit Kundenanforderungen auseinander setzen müssen. Im Grunde also nichts anderes, womit sich die mächtigen IT Lösungsanbieter täglich beschäftigen.

«Es ist nicht immer das drin, was drauf steht»

Kommen wir zurück in den Supermarkt, um den Vergleich zwischen den grossen und bekannten Herstellern, mit den weniger bekannten oder gar unbekannten Herstellern samt ihrer Produkte zu vergleichen. Wenn wir z.B. über Produkte wie Nivea oder Loreal oder Kellogg`s, Nutella oder Coca Cola etc. reden, wissen wir alle, dies sind Produkte auf deren Qualität sich Konsumenten verlassen können. Auch wenn wir bei dem einen oder anderen Produkt nicht einmal so genau wissen, wer der Hersteller tatsächlich ist, oder umgekehrt, was z.B. Coca Cola noch alles produziert. Den entsprechenden Preis sind wir alle jedoch bereit zu zahlen.

Doch wussten sie, dass z.B. die nach festgelegten Normen und Standards geprüfte Zahnpasta als bestes Produkt nicht von Colgate, Ipana oder Blend-a-med etc. kommt? Es sind die weniger bekannten Produkte, die in der Tat oftmals in Stiftung Warentest Vergleichen besser abgeschnitten haben. Diese Tatsache ist in sehr vielen anderen Produkten analog anzutreffen. Es ist zudem bekannt, dass namhafte Hersteller ihre Überkapazitäten auf weniger bekannte Produkte abfüllen, die ebenfalls ihren Platz in den Regalen finden, nur eben weiter unten. Das bringt den Herstellern zusätzlichen Gewinn und drängt die Konkurrenz vom Platz, bedient zugleich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Das Gleiche gilt auch für die Ölkonzerne. Sie alle haben Zweit-, bzw. Drittprodukte, die inhaltlich das ein und gleiche Produkt darstellen. Warum sollte also ein  weniger bekannter Hersteller nicht genauso gut sein, wie ein Bekannter, wenn die Normen und Standards ohnehin bekannt sind und von der Industrie gefordert werden?

Einkaufsmärkte in der IT Welt

In der IT Welt ist der Auswahlprozess einer Lösung leider nicht so bequem wie mit dem Gang in den Supermarkt. Abgesehen der Compliance-Regeln und Beschaffungsprozessen der Unternehmen, liegt das Schicksal zur Grundauswahl der in Frage kommenden Produkte oft in den Händen eines einzelnen Entscheiders.

Das Endergebnis einer Auswahlliste bis zur «Request for Information» oder «Request for Proposal» Prozedur wird dann vom Wissensstand dieser Person über das gesuchte Produkt, von Suchen über Google, von der Meinungsbildung über Kontakte in anderen Unternehmen, oder eben oftmals «einfach» über den Gartner Magic Quadraten bestimmt. Voraussetzung für das Letztere ist erfahrungsgemäss zudem, dass das angestrebte Projekt genug Budget besitzt, um Produkte von renommierten Herstellern einzukaufen, die wiederum genug Geld hatten, Marktanalysen der Grössenordnung «Gartner» zu bezahlen.

Seien wir uns selbst gegenüber ehrlich: Wer macht sich schon die Arbeit, nicht nur den Kurzbericht sowie die Visualisierung des Magic Quadranten samt Angaben zum Anbieter vorab zu studieren, um im Anschluss ein Bauchgefühl zu entwickeln? Wer vergleicht tatsächlich all die gebotenen Informationen zur Analyse aus dem aktuellen Geschäftsjahr auch mit den bereits zurückliegenden Analysen? Ein solcher Vergleich würde zusätzlich wertvolle Informationen über Hersteller liefern, warum z.B. ein Hersteller, der im Vorjahr noch am Aufsteigen war, plötzlich aus dem Radar verschwindet, oder wie es sein kann, dass ein Produkt zu Vorjahren plötzlich Quantensprünge machen kann und Quadranten wechselt, ja beinahe schon wieder raus schiesst, bei fast gleich gebliebenen Produktspezifikationen? Vergleichen wir die letzten drei Jahre der Magic Quadranten für Access Management Produkte, fallen die Ergebnisse durchaus interessant aus. Einige Firmen fallen plötzlich raus. Andere kommen hinzu und der eine oder andere wird innerhalb eines Jahres plötzlich zum Überflieger in allen Disziplinen. Manche ändern ihre Position gar nicht, andere verschlechtern sich. Doch eine Bewertung überragt alle anderen. Ein Hersteller, der sich in den vergangenen Jahren kaum veränderte, doch innerhalb eines Jahres wohl wie die Rakete zum Mond befördert wird. Aber Gartner selbst sagt ja, wie zu beginn erwähnt, Kunden sollen sich nicht auf die alleinigen Auswertungen aus den Gartner Magic Quadranten verlassen. Wichtig zu bemerken an dieser Stelle ist es, dass es nicht das Ziel dieses Beitrages ist, einzelne Hersteller bei Namen zu nennen. Vielmehr geht es um die Unregelmässigkeiten, die uns entlang unserer Recherchen in diesem Bereich stark aufgefallen sind.

«Beschaffungskriterien sollten mehr als Auswertungen von Diagrammen Dritter sein»

Gartner und auch Forrester geben in ihren Publikationen klar an, dass Kunden ihre IAM Lösungsanbieter nach klaren Kriterien auswählen müssen. Forrester gibt darüber hinaus prinzipielle Kriterien an, ohne diese von bestimmten Herstellern (Grösse, Herkunft, Branche, etc.) abhängig zu machen. Dennoch und immer wieder zu unserer Überraschung: Die Erfahrung zeigen, dass aufgrund fehlender Interessen eine ausgiebigere Marktanalyse auch unter Einbeziehen des lokalen, regionalen oder landesweiten Angebots oftmals verworfen werden. Man mancht es sich kurz gesagt «zu einfach» bei der Kriterienbildung zum Auswahl eines geeigneten Produkts mithilfe von Herstellernamen als Kaufargument. Das «kurz gesagte» entpuppt sich am Ende leider nicht zu selten auch als «zu kurz gedacht». Die anfänglichen Meinungen über die Komplexität eines Projekts wird relativiert und es werden Produkte von der Stange bevorzugt, von namhaften Herstellern. Später stellen Unternehmen schmerzvoller Weise fest, dass die im Vorfeld nicht erkannten Abhängigkeiten später den Erfolg ihrer Projekte stark beeinflussen, die grossen Hersteller sich hierbei jedoch entweder als zu unflexibel erweisen, oder die Projektkosten wegen grösseren «Changes» in die Höhe getrieben werden. In solchen Situationen ist oftmals dann auch das «Point of No Return» längst überschritten. So muss der Kunde am Ende wesentlich tiefer in die Tasche greifen, ggf. den einen oder anderen Meilenstein zertrümmern um das Gesamtergebnis nicht zu gefährden.

Ziel dieses Beitrags ist es nicht Märkte, Hersteller bzw. deren Produkte schlecht zu reden. Vielmehr sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass diese oder ähnliche Quadrate nicht der Weisheit letzter Schluss sein können. Denn gerade im Bereich IAM, aber auch in vielen anderen Bereichen der IT existieren oftmals sehr interessante regionale Anbieter, die sich nach allen bekannten und aktuell geforderten Normen und Kommunikationsschnittstellen richten, anerkannte Methodiken anwenden und einen breiten sowie beachtlichen Leistungsspektrum ihrer Lösungen anbieten können, auch wenn sie weit weg davon zu sein scheinen, die weltweit bekannten Quadraten virtuell betreten zu dürfen.

Doch gerade solche Hersteller erreichen einen sehr hohen Maturitätsgrad in ihrem Spezialgebiet, wie z.B. ein IAM-Anbieter, mit entsprechender Kundennähe und Affinität. Sie bringen dazu eine enorme Flexibilität und Agilität für ihre Kunden mit, auch ohne 5000 Mitarbeiter weltweit. Diese Firmen begleiten Kundenprojekte aus erster Hand, führen die komplexen Migrationen oder Integration in IT Umgebungen der Kunden durch, ohne das der Kunde einen Zwischenhändler involvieren muss, mit dem er einen zusätzlichen Vertrag eingehen muss, sprich, einen Integrator konsultieren muss, um das gewünschte Produkt zu bekommen.

Viele dieser noch «unbekannten» Hersteller würden ihre Produkte sicherlich gerne mit bekannteren Produkten auf internationaler Ebene über all die bekannten IT Marktanalytiker messen lassen. In einigen Disziplinen würden sie gar besser da stehen als so manch namhafter Gegenspieler, wenn die “Regalplätze” von “Supermärkten” wie Gartner & Co. nicht immer so sündhaft teuer wären.

Mein Fazit

Allen Auswertungen und Analysen entgegen ist eines sicher: Die  Unternehmensgrösse eines Software Herstellers sagt noch lange nichts über die Qualität und Maturität seiner Produkte aus. Das haben wir Kunden doch bereits zu Windows XP Zeiten bitter erfahren dürfen, als wir das unreife Produkt für den Hersteller über Jahre hinweg «testen» durften.

Quellen:

https://www.gartner.com/en/research/methodologies/magic-quadrants-research

https://www.gartner.com/en/documents/3970117

https://www.okta.com/de/resources/access-management-leader-gartner-magic-quadrant/

https://www.microsoft.com/de-ch/microsoft-365/blog/2018/06/25/vision-execution-microsoft-named-a-leader-again-in-gartner-mq-for-access-management/

https://spanougakis.wordpress.com/2017/06/13/gartners-2017-magic-quadrant-presents-azuread-as-a-leader-for-access-management/

https://www.sailpoint.com/de/identity-library/identity-management-and-governance-leader-forrester-wave/

https://go.forrester.com/policies/forrester-wave-methodology/

https://sectigo.com/uploads/resources/The-Future-Of-Identity-And-Access-Management.pdf