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Den journalistischen Recherchen zufolge, waren die seitens der Bundesregierung nicht offengelegten Gründe für die vorzeitige Absetzung des BND-Chefs Gerhard Schindler, eine Front aus unterschiedlichen, starken Gegnern, die es unbedingt vermeiden wollten, dass der BND unter der Führung von Schindler zu transparent wird und dazu noch zu Widerstands-unfähig gegen die parlamentarische Kontrolle geworden sei. Zudem wollte Schindler wohl die “Machenschaften” der kontrollresistenten Abteilung “Technische Aufklärung” durch Hinzuziehung externer Berater eindämmen, so heisst es gem. der Berichterstattung. Seine NSA Affäre und die Bekanntgabe der Zusammenarbeit von BND mit NSA seit 2013, also in der Amtszeit Schindlers sind zudem weitere entscheidende Vorwürfe.

Dabei sei sein Hauptgegner gem. der Beurteilung seitens Erich Schmidt-Eenboom, ein Geheimdienst Experte, Wolfgang Schäuble, der ehemalige Innenminister und heutiger Finanzminister. Des weiteren soll Schäuble gemeinsam mit Ursula von der Leyen und Peter Altmeier die Kanzlerin bewogen haben, Schindler abzusägen, so in seinem interview in die Arte Doku “Schattenwelt BND”. Dabei soll Schindler in der Amtszeit von Schäuble als Innenminister von 2005 bis 2009 (laut Stern) einer seiner Musterschüler gewesen sein. Dabei war es Schäuble persönlich, der das nicht vorhandene Grundrecht “Sicherheit” über alle anderen Grundrechte stellte, um seine Abhör- und Überwachungsmethoden zu legitimieren. Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin, welche zudem von Schindler als nicht gut befunden wurde, soll zudem die Entscheidung bekräftigt haben.

Die Intransparent der Bundesregierung und die nun mit der Absetzung von Schindler gestoppten, angedachten Reformen der BND, wird wahrscheinlich dessen bisherige Intransparenz und Unkontrollierbarkeit weiterhin aufrechterhalten. Das sollte mit dem Nachfolger von Gerhard Schindler, dem neuen Präsidenten Bruno Kahl, ein Vertrauter von Schäuble, gut gelingen. Kahl soll seit 35 Jahren als Reserveoffizier mit dem militärischen Nachrichtenwesen vertraut sein, zuletzt bei Reserveübungen im Einsatzführungskommando für die G-2-Lage zuständig gewesen sein, also für Beurteilung der Feindlage, Nachrichtengewinnung und Aufklärung, Targeting, militärische Sicherheit und Geo-Informationen.

Beschäftigt man sich mit der Frage hinsichtlich der Abhörtechniken und Cyber-Techniken der BND und schenkt man der Dokumentation sowie den journalistischen Befunden Glauben, so ist es bisher ohnehin der Fall, dass die BND eine Cyber-Abteilung (Technische Aufklärung) inkl. eines grossen Rechenzentrums in ihrem bisherigen Hauptstandort Pullach besitzt und dort bereits Daten sammelt, u.a. am Knotenpunkt (Backbone) der DE-CIX in Frankfurt am Main.

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Die angebliche RZ der BND in Pullach gem. Arte Doku

Neben dem Nationalen Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ) des BSI, eine weitere Instanz der Regierung in Sachen Cyber-Defence, nur eben mit anderen Intentionen. Wobei man der NCAZ vorwirft, ein stumpfes Messer darzustellen, wobei als eines der assoziierten Behörden zu BSI’s NCAZ eben der BND genannt wird.

Es ist öffentlich bekannt, dass die Regierung in der Hauptstadt Berlin ein neues, grosses Gebäude als den neuen Hauptsitz des BND errichtet, dessen Bau 2003 beschlossen und volle Funktionsfähigkeit ab 2018 geplant wurde.

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Das neue BND Gebäude in Berlin

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Interessant ist es zugleich, dass Schindler von 2012 bis 2016 im Amt als Präsident des BND war und kurz nach seiner Entlassung als Präsident des BND, in April 2016 das Ministerium der Verteidigung bzw. die Ministerin persönlich das Vorhaben zum Aufbau des neuen Organisationsbereichs “Cyber- und Informationsraum” der Bundeswehr bekannt gibt. Dabei soll die neue Einheit mit geplanten 13500 neuen Mitarbeitern besetzt werden, bestehend aus zivilem und Bundeswehrpersonal.Die neue Einheit soll bis 2021 vollständig aufgebaut und operationsfähig sein.

Über die Trennung der inneren und äusseren Sicherheit wurde dabei bisher nicht diskutiert, ebenso wenig über dessen, in welcher Art und Weise, in welcher Güte sowie Menge und an welchen Punkten im Netz die Bundeswehr mit dieser Organisationseinheit plant, Daten zu sammeln und auszuwerten, neben der publizierten Intention eines nationalen Cyber-SIEM seitens der Bundeswehr. Vereinfacht ausgedrückt wartet eine Abteilung, bestehend aus 13500 Personen darauf, dass sie angegriffen werden damit sie einen Grund haben die ständig anfallenden Daten in gigantischer Menge sinnvoll auszuwerten und daraus Gegenmassnahmen einleiten zu dürfen. Sehr glaubhaft, für so Manche.

Ebenso wenig ist bekannt, wo der Hauptsitz dieser neuen Einheit sein soll bzw. mit welchen Behörden der Bereich assoziiert wird. Betrachtet man jedoch das neue riesige Gebäude des BND in Berlin sowie die zeitliche Reihenfolge gewisser Schritte, so könnte man darauf spekulieren, dass das neue Gebäude nicht ausschliesslich für den BND gedacht war, oder zumindest nicht mehr gedacht wird.

Ebenfalls ist die zeitliche Abfolge der Bekanntgaben höchst interessant:

  • Am 26.04.2016 gibt die Bundesregierung die Pläne zur Cyber-Abwehr durch das Verteidigungsministerium bekannt
  • Am gleichen Tag wird Absetzung von Gerhard Schindler bekannt gegeben. Sein Nachfolger ist bereits bekannt und wird Bruno Kahl werden.

Ebenso wenig wird darüber gesprochen, wo das Rechenzentrum der neuen Abteilung der Bundeswehr aufgebaut werden soll. Natürlich ist es für Sicherheitsexperten nachvollziehbar, dass Informationen sensibler Lokationen wie ein Rechenzentrum zur Überwachung und Abwehr öffentlich aus Gründen der Sicherheit nicht bekannt gegeben werden darf. Es liegt jedoch nahe, dass für diese Zwecke das RZ des BND südlich von München in Pullach bereits ausserordentlich gute Voraussetzungen bieten könnte, zumal dort ja gem. der Dokumentation bereits fleissig Daten gesammelt werden.

Wozu wird also die Cyber-Abwehr der Bundeswehr mit 13500 Mann und Frau starkem Personal tatsächlich dienen und wo wird sie ihren Sitz haben? Die Zahl der neuen Besatzung für die geplanten, seitens des Ministeriums bekannt gegebenen Intensionen der “Abwehr / rein defensiv” ist ebenfalls umstritten. Des Weiteren stellt sich die Frage, weshalb der NCAZ nicht weiter ausgebaut wird und stattdessen eine Notwendigkeit entsteht, diese Aufgaben der Bundeswehr zu überlassen und dort eine Cyber-Truppe aufzubauen.

Wird diese Organisation zusammen mit dem BND unter der Aufsicht des Bundeskanzleramts, des Innenministeriums sowie des Verteidigungsministeriums evtl. das Verteilzentrum der NSA oder gar einer BRD-SA werden? Wenn man sich die Historie des neuen BND-Chefs, die bestehenden Einrichtungen und neue Gebäude sowie die Assoziationen zwischen den Ministern und Ministerien anschaut, dann ist es gar nicht so unwahrscheinlich….

(red)

Referenzen:

  1. https://www.youtube.com/watch?v=8WjlcS6qVgg (Arte Doku – Schattenwelt BND – Wie viel Geheimdienst braucht Deutschland)
  2. https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-178385.html (Cyber-Abwehr: Bundeswehr rüstet sich gegen Angriffe aus dem Internet)
  3. https://www.youtube.com/watch?v=otup5bE7BoQ (Tagesschau – Der Cyber-Abwehr)
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Nationales_Cyber-Abwehrzentrum (Wikipedia – NCAZ)
  5. https://www.bmi.bund.de/DE/Themen/Sicherheit/IT-Cybersicherheit/Cyberabwehrzentrum/cyberabwehrzentrum.html (Webseiten des BSI zu NCAZ)
  6. http://www.stern.de/politik/deutschland/rolle-der-deutschen-in-der-nsa-affaere-schaeubles-musterschueler-beschnueffeln-die-buerger-2042159.html (Stern zur NSA Affäre)
  7. http://de.sputniknews.com/politik/20160517/309910391/bnd-beraterfirma.html (Bericht über die Beraterfirma des BND)
  8. http://www.sueddeutsche.de/politik/geheimdienste-bnd-chefschindler-muss-gehen-1.2968806 (Bericht Süddeutsche zur Absetzung Schindlers)
  9. http://www.tagesspiegel.de/politik/nachfolger-von-gerhard-schindler-bruno-kahl-als-neuer-bnd-chef-vorgestellt/13506600.html (Bericht Tagesspiegel zur Ernennung von Kahl)